Einfache oder Leichte Sprache im Vergleich, symbolisiert durch eine balancierende Frau.

Einfache Sprache vs. Leichte Sprache:

Ein wissenschaftlicher Vergleich

Einleitung

In einer zunehmend diversifizierten Gesellschaft gewinnt die barrierefreie Kommunikation an Bedeutung. Zwei Konzepte stehen hierbei im Fokus: Einfache Sprache und Leichte Sprache. Beide Ansätze zielen darauf ab, Texte und Informationen für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen. Doch was unterscheidet sie genau? Dieser Artikel beleuchtet die wissenschaftlichen Grundlagen, Unterschiede und Anwendungsbereiche beider Sprachformen.


Definitionen

Einfache Sprache

Die Einfache Sprache ist eine vereinfachte Variante der Standardsprache, die darauf abzielt, Texte verständlicher zu gestalten. Sie reduziert komplexe Satzstrukturen, vermeidet Fachbegriffe und nutzt eine klare, direkte Ausdrucksweise. Dabei orientiert sie sich an den Regeln der deutschen Grammatik, ohne diese zu stark zu vereinfachen.

Leichte Sprache

Die Leichte Sprache ist noch stärker reglementiert und richtet sich vor allem an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Sie folgt festen Regeln, die vom "Netzwerk Leichte Sprache" entwickelt wurden. Charakteristisch sind sehr kurze Sätze, einfache Wörter und der Einsatz von unterstützenden Bildern oder Piktogrammen.


Zielgruppen und Anwendungsbereiche

Einfache Sprache

  • Zielgruppen: Menschen mit Leseschwierigkeiten, funktionalem Analphabetismus, Migrationshintergrund oder geringen Sprachkenntnissen.
  • Anwendungen: Öffentliche Informationen, Kundenkommunikation, Medienberichte und Bildungsinhalte.

Leichte Sprache

  • Zielgruppen: Menschen mit geistiger Behinderung, Lernschwierigkeiten oder Demenz.
  • Anwendungen: Rechtliche Dokumente, behördliche Informationen, Gesundheitskommunikation und inklusive Bildungsangebote.

Wissenschaftliche Grundlagen

Kognitive Verarbeitung

Die Verarbeitung von Sprache hängt eng mit kognitiven Fähigkeiten zusammen. Nach dem Einfachem-Modell der Lesbarkeit (Flesch-Kincaid) beeinflussen Faktoren wie Satzlänge und Wortschatz die Verständlichkeit von Texten. Einfache Sprache nutzt diese Erkenntnisse, um Texte allgemein verständlicher zu machen.

In der Leichten Sprache werden zusätzlich psycholinguistische Prinzipien berücksichtigt. Studien zeigen, dass Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen von stark vereinfachten Strukturen und wiederholenden Mustern profitieren (Bredel & Maaß, 2016).

Regelwerke und Standards

  • Einfache Sprache: Es existieren keine einheitlichen Regeln, jedoch Leitlinien von Institutionen wie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
  • Leichte Sprache: Festgelegte Regeln des Netzwerks Leichte Sprache mit 12 Hauptregeln, die wissenschaftlich fundiert sind und regelmäßig überprüft werden.

Im Vergleich - Einfache Sprache vs. leichte Sprache anhand von Merkmalen


Satzlänge

Einfache Sprache: Bis zu 15 Wörter
Leichte Sprache: Maximal 8 Wörter

Wortwahl 
Einfache Sprache: Vermeidung von Fachbegriffen, einfache Synonyme erlaubt
Leichte Sprache:Nur gebräuchliche Wörter, keine Synonyme

Grammatik 
Einfache Sprache: Vereinfachte Strukturen, aber flexibel
Leichte Sprache: Strikte Verwendung von Hauptsätzen, Verzicht auf Passivformen

Unterstützung
Einfache Sprache: Selten Einsatz von Bildern
Leichte Sprache: Verwendung von Bildern und Piktogrammen zur Erklärung

Regelwerk 
Einfache Sprache: Keine festen Regeln, Orientierung an Leitlinien
Leichte Sprache: Festes Regelwerk mit verpflichtenden Standards

Gesellschaftliche Bedeutung

Beide Sprachformen tragen zur Inklusion bei, indem sie Barrieren in der Kommunikation abbauen. Die Leichte Sprache ist unerlässlich für die Teilhabe von Menschen mit schweren kognitiven Einschränkungen. Die Einfache Sprache hingegen erleichtert vielen Menschen den Zugang zu Informationen, die sonst schwer verständlich wären.

Rechtliche Aspekte

Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sind Behörden verpflichtet, Informationen barrierefrei bereitzustellen. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) konkretisiert diese Anforderungen für digitale Medien und fordert die Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache.

Kritische Betrachtung

Während die Leichte Sprache durch ihre strengen Regeln eine hohe Verständlichkeit gewährleistet, wird sie manchmal als zu simpel oder infantil empfunden (Maaß, 2020). Einfache Sprache bietet hier einen Mittelweg, ist jedoch weniger standardisiert, was zu Inkonsistenzen führen kann.

Aktuelle Forschung und Entwicklungen

Die linguistische Forschung beschäftigt sich mit der Optimierung der Verständlichkeit und der Messbarkeit von Lesbarkeit. Neue Ansätze nutzen künstliche Intelligenz, um Texte automatisch in Einfache oder Leichte Sprache zu übersetzen (Saggion et al., 2015).


Für kommunale Websites sind sowohl Einfache Sprache als auch Leichte Sprache gefordert, wobei der Fokus auf Leichte Sprache liegt, da sie spezifisch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen entwickelt wurde. Beide Formen der barrierefreien Kommunikation sind im Kontext der Barrierefreiheit wichtig, haben jedoch unterschiedliche Anforderungen und Zielgruppen:

1. Leichte Sprache:

  • Rechtliche Grundlage: Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) ist Leichte Sprache für öffentliche Stellen (z. B. Kommunen) verpflichtend, insbesondere bei wichtigen Informationen.
  • Zielgruppe: Menschen mit kognitiven Einschränkungen, geringen Sprachkenntnissen oder Lernschwierigkeiten.
  • Merkmale:
    • Kurze, einfache Sätze.
    • Keine Fachbegriffe (oder diese werden erklärt).
    • Nutzung von einfachen Bildern zur Unterstützung.
    • Spezifische Regeln, die vom Netzwerk Leichte Sprache definiert wurden.
  • Beispiele für Inhalte in Leichter Sprache:
    • Informationen zu Bürgerdiensten (Anträge, Formulare).
    • Kontaktmöglichkeiten.
    • Notfallinformationen.

2. Einfache Sprache:

  • Zielgruppe: Ein breiteres Publikum, das von komplexen Texten überfordert sein könnte, z. B. Menschen mit geringer Lesekompetenz oder Nicht-Muttersprachler.
  • Merkmale:
    • Verständlichere Texte, jedoch weniger streng als Leichte Sprache.
    • Nutzung von kurzen Absätzen, klarer Struktur, und einfacher Sprache, ohne die Komplexität völlig zu reduzieren.
  • Anwendung: Oft als Ergänzung zu Leichter Sprache, um Barrieren für alle zu senken.

Anforderungen in der Praxis:

Kommunen sind verpflichtet, mindestens die wichtigsten Informationen in Leichter Sprache bereitzustellen. Dazu gehören:

  • Informationen über Rechte und Pflichten.
  • Hinweise zu barrierefreien Angeboten.
  • Formulare oder Anleitungen.

Zusammenfassung

  • Leichte Sprache ist oft Pflicht.
  • Einfache Sprache kann zusätzlich verwendet werden, um eine breitere Zielgruppe zu erreichen und allgemeine Inhalte verständlicher zu machen.
  • Es empfiehlt sich, beide Sprachstufen sinnvoll zu kombinieren, um allen Bürgern den Zugang zu Informationen zu erleichtern.


Fazit

Einfache Sprache und Leichte Sprache sind wichtige Instrumente für eine inklusive Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in Zielgruppe, Regelwerk und Anwendung, ergänzen sich jedoch in ihrer gemeinsamen Mission, Verständlichkeit und Teilhabe zu fördern. Die Wahl der geeigneten Sprachform sollte stets auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt sein.

Literaturverzeichnis

  • Bredel, U., & Maaß, C. (2016). Leichte Sprache: Theoretische Grundlagen – Orientierung für die Praxis. Dudenverlag.
  • Maaß, C. (2020). Einfache Sprache im Fachunterricht. Sprache – Literatur – Lernen, 1(2), 45-60.
  • Saggion, H., et al. (2015). Automatic text simplification for accessibility: An overview of the state of the art. Research in Computing Science, 123, 47-57.